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Phonochirurgie

Phonochirurgie

Phonochirurgie: Stimmverbessernde Operationen

Der Sammelbegriff "Phonochirurgie" fasst alle Eingriffe am Kehlkopf zusammen, die das Ziel haben, die Stimme zu verbessern. Im weiteren Sinne werden der Phonochirurgie auch solche Kehlkopf-Operationen zugerechnet, die die Atmung verbessern, die Stimme aber nicht zu sehr stören. Bei besonderen Diagnosen (Kehlkopflähmung) kann ein phonochirurgischer Eingriff neben der Stimme auch das Schlucken verbessern.

Phonochirurgie hat NICHT die Behandlung von Krebs zum Ziel. Phonochirurgie dient allenfalls nach abgeschlossener Krebs-Behandlung des Kehlkopfs zur Verbesserung der Stimme. Wenn eine bösartige Erkrankung vermutet wird und durch Probenentnahme ausgeschlossen oder bewiesen werden soll, ist das keine Phonochirurgie. Allerdings sollte eine derartige sog. Biopsie wie ein phonochirurgischer Eingriff durchgeführt werden, also unter weitest möglicher Schonung der Stimme.

Phonochirurgie ist eine Notlösung

Phonochirurgie wird nur dann eingesetzt, wenn mit konservativen, also medikamentösen oder übenden Behandlungs-Methoden keine Besserung der Stimme mehr zu erreichen ist.

Phonochirurgie ist ein Elektiveingriff

Phonochirurgie ist nicht (über)lebensnotwendig, kann aber die Lebesqualität des Betroffenen entscheidend bessern. In Erlangen entscheiden wir uns nur dann für eine phonochirurgischen Eingriff, wenn alle drei Fragen:

  1. Sind konservative Maßnahmen ausgeschöpft oder gar nicht möglich?
  2. Ist eine Besserung der Stimme auf operativem Wege erreichbar?
  3. Will der Betroffene das Risiko einer Operation eingehen, um seine Stimme zu verbessern

mit "ja" beantwortet werden.

Phonochirurgie bietet keine Erfolgsgarantie

Kein Eingriff ist ohne Risiko. Garantien gibt es nicht, weder für eine komplikationslose Operation noch für eine Verbesserung der Stimme.

Phonochirurgie ist nur in den Händen des Erfahrenen erfolgversprechend

Phonochirurgie ist nur dann erfolgreich, wenn in einer Voruntersuchung die Art des Eingriffs festgelegt, der Eingriff selbst dann entsprechend durchgeführt und der Patient anschließend richtig nachbehandelt wird. Werden die drei Abschnitte "Voruntersuchung-Operation-Nachbehandlung" in unterschiedliche Hände gelegt, sind schlechtere Operationsergebnisse vorprogrammiert - "Viele Köche verderben den Brei".
Die Operations-Wunde kann u.U. sehr klein sein (in mm-Größenordnung). Sie ist dennoch kein "kleiner Fisch": Bei ungünstiger Narbenbildung kann die Stimmlippe ( umgangssprachlich Stimmband genannt) u.U. nicht mehr richtig schwingen. Die Folge ist eine Verschlechterung der Stimme, die - einmal eingetreten - kaum mehr korrigierbar ist. Nur in der unmittelbaren Phase nach der Operation kann man die Wundheilung beeinflussen.
Die Abteilung für Phoniatrie hat jahrzehntelange Erfahrung mit spezialisierter Phonochirurgie und hat dabei im internationalen Maßstab Spitzenergebnisse erzielt.

Voraussetzung für Phonochirurgie: Stimmdiagnostik

Stimmdiagnostik Lingwaves

Die Diagnostik VOR jedem phonochirurgischen Eingriff folgt in Erlangen einem auf europäischer Ebene abgestimmten Protokoll (Philippe H. Dejonckere et al. 2001). Mindestens drei der Parameter

a) Perzeption = Bewertung der Stimme durch den Arzt
b) Videostroboskopie = Bewertung der Stimmlippenschwingung
c) Akustik = computergestützte Messung der Stimmqualität
d) Aerodynamik / Stimmeffizienz = Messung der Atmungsfunktion
e) Selbsteinschätzung durch den Patienten

müssen auffällig sein. Wenn der Patient mit seiner Stimme zufrieden ist, wird in Erlangen nicht operiert. Zur Bewertung a) -e) ziehen wir in Erlangen folgende Verfahren heran:

a) RBH-Test (Wendler, Seidner, Eysholdt: Lehrbuch der Phoniatrie, S. 124 d. 4. Aufl., Thieme Stuttgart 2005)
b) Shutter Stroboskop mit rpSzene Videodokumentation sowie Hochgeschwindigkeits-Endoskopie mit Wolf HRES Endocam 5562, bewertet durch Phonovibrographie (Eysholdt u. Lohscheller, Dt. Ärzteblatt 2007; 104(51-52): A3556-61
c) SpeechStudio Laryngograph, London
d) MPT und Tiffeneau-Test
e) Voice Related Quality-of-Life (VRQoL, deutsche Fassung von Rosanowski u. Klotz HNO 2005; 53: 895 904)

Ein hoher Leidensdruck äußert sich neben einem auffälligen VRQoL-Wert in der Motivation des Patienten zur Mitarbeit. Er muss VOR dem Eingriff das Rauchen aufgeben und NACH dem Eingriff aktiv bei der Behandlung mitarbeiten.

Endoskopische Phonochirurgie

(„von innen“, dh. ohne äußeren Schnitt)

In Allgemein-Narkose wird ein ca. 25cm langes Rohr durch den Mund bis unmittelbar vor den Kehlkopf geschoben, durch das hindurch man mit langen Instrumenten unter dem Op-Mikroskop manipulieren kann: Mikrolaryngoskopie (MLS), entwickelt von O. Kleinsasser in den 1960er Jahren. Vorteil der MLS ist die Vermeidung eines äußeren Schnittes, Nachteil die direkte Manipulation an den stimmerzeugenden Weichteilen.

Folgende Diagnosen können phonochirurgisch-mikrolaryngoskopisch behandelt werden:

  • Stimmlippen-Polyp
  • Stimmlippen-Zyste
  • Reinke-Oedem
  • Phonationshyperplasie („Schreiknötchen“)
  • Papillom
  • Leukoplakie

Allen Diagnosen ist gemeinsam, dass sie nicht bösartig entarten können, von seltenen Ausnahmen beim Papillom und der Leukoplakie einmal abgesehen. Jeder Operation sollte eine örtliche Intensivbehandlung vorausgehen, um entzündliche Begleitveränderungen so weit wie möglich zurückzudrängen – dann lässt sich schonender operieren.

Standard-Op-Methode ist die „micro flap“-Technik nach Zeitels, die zum Ziel hat, möglichst keine operativen Defekte zurückzulassen.

Der micro flap hat frühere Techniken vollständig verdrängt. Vereinzelt wird noch immer ein sog. „Stripping“ durchgeführt, das Abschälen der gesamten Schleimhaut vom Stimmbandmuskel. Stripping führt stets zu einer ungünstigen Narbe und einer schlechten Stimme. Es wurde schon seit 1989 als „archaische Methode“ betrachtet.

Phonochirurgie "von außen" mit Hautschnitt

Eingriffe von außen am Kehlkopf werden international "laryngeal framework surgery) (LFS) genannt. Über einen quer angelegten Schnitt (5cm) wird das Knorpelgerüst freigelegt. Der wichtigste Eingriff aus der LFS ist in Erlangen die Thyreoplastik. Aus zwei wichtigen Gründen kann eine Thyreoplastik in Frage kommen:

a) Lähmung des Kehlkopfs (bzw. des sog. Stimmbandnerven, N. lyrngeus inferior "reccurens", egal ob die Ursache eine Infektion, eine Operation oder eine Verletzung war,

b) Defekt des Kehlkopfes z. B. durch vorausgegangene Tumor-Operation

Der Nachteil des Hautschnitts wird durch eine Reihe von Vorteilen mehr als aufgewogen.

a) Man kann in örtlicher Betäubung operieren (Lokalanaesthesie), also die Stimmqualität während der Operation prüfen.

b) Man operiert in sicherer Entfernung von den schwingenden Weichteilen im Kehlkopf, die die Stimme erzeugen. Also besteht keine Gefahr, durch ungünstige Narbenbildung die Stimme zu verschlechtern.

Obwohl die Thyreoplastik prinzipiell seit 1915 bekannt ist, wurde sie erst in den 1980er-Jahren von dem Japaner Nobuhiko Isshiki bis zur heutigen Klinikreife entwickelt. Prof. Eysholdt hatte die Tyreoplastik 1994 bei Isshiki gelernt und weiterentwickelt. Seitdem wird in der Abteilung damit erfolgreich gearbeitet.