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Das SEON Konzept

Das SEON-Konzept

Translationale Forschung beginnt bei SEON mit einem symbolisierenden Kreis. Bei der Erforschung bestmöglicher Diagnose- und Therapiemöglichkeiten und deren Einsatzes im klinischen Alltag kommt die nanomedizinische Expertise zum Tragen, die SEON seit über zehn Jahren auszeichnet. SEON nutzt superparamagnetische Eisenoxidmanopartikel, die sehr klein sind und über eine große Oberfläche verfügen, als Transportmittel für die gezielte, magnetfeldgesteuerte Verabreichung von Medikamenten. Im SEON-Kreis (siehe Bild) wird der komplette Workflow entlang der Erforschung von Nanopartikelsystemen dargestellt:
Von der Nanopartikelherstellung und -charakterisierung und Nanotoxikologie über biologische Mechanismen bei der Anreicherung von Nanopartikeln bis hin zur experimentellen Bildgebung und pharmazeutischen Herstellung. Die spezifische Verknüpfung von Entwicklungs- und Anwendungszielen gilt als weltweit einmalig, die daraus resultierenden Wechselbeziehungen erweisensich als enorm fruchtbar. Alle SEON-Arbeitsbereiche sind extrem eng miteinander verzahnt, was nicht nur dem Workflow zugutekommt, sondern auch der kontinuierlichen Verbesserung von Nanopartikelsystemen auf den unterschiedlichsten Forschungsgebieten.

Nanopartikelherstellung

Der Hauptfokus der Nanopartikelsynthese liegt dabei auf der Entwicklung von Nanopartikeln für unterschiedliche Anwendungsbereiche, beispielsweise für die Therapie im Bereich der Onkologie, der kardiovaskulären Erkrankungen und der Sepsis sowie für den diagnostischen Bereich und für die regenerative Medizin. Je nach Bereich werden unterschiedliche Anforderungen an die Nanopartikel gestellt. Als Basis für unsere Synthesen dienen alkalische Fällungs- oder thermische Zersetzungsreaktionen, mit denen sich magnetische Eisenoxidnanopartikel herstellen lassen. Diese können wir entweder während dieser Prozesse oder danach mit verschiedenen Substanzen kolloidal stabilisieren und mit Wirkstoffen beladen. Die Anbindung der Wirkstoffe kann entweder adsorptiv oder definiert über chemische Bindungen erfolgen.

Physikochemische Charakterisierung

Um die entsprechenden Wirkungen der erzeugten Formulierungen – gewollte therapeutische oder ungewollte toxische – einzuordnen, müssen die Partikel hinsichtlich ihrer Beschaffenheit eingehend physikochemisch analysiert werden. Ein wichtiger Parameter ist die Aggregatgröße der Partikel, die beispielsweise durch Dynamische Lichtstreumessungen (DLS) ermittelt werden. Die Größe und zusätzlich die Morphologie der Einzelpartikel können wir durch die elektronenmikroskopische Bildgebung untersuchen. Das elektrostatische Potenzial von Partikeln in einer Suspension an der Scherebene, das ζ-Potenzial, ist dabei ein wichtiger Parameter für die Stabilität von kolloidalen Suspensionen und wird routinemäßig erfasst, ebenso wie der Eisengehalt mittels Atomemissionsspektroskopie. Der Wirkstoffgehalt der Formulierungen wird mithilfe des Verfahrens der Flüssigchromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung bestimmt, die Partikeloberfläche wird durch FTIR charakterisiert. Da SEON in das Exzellenzcluster „Engineering of Advanced Materials“ (EAM) integriert ist, nutzen wir dessen Gerätepark für tiefer gehende Untersuchungen der Partikelcharakterisierung.

Nanotoxikologie

Um unser Ziel der Translation der superparamagnetischen Eisenoxidnanopartikel (SPIONs) aus dem Labor in die Klinik erreichen zu können, sind umfangreiche toxikologische Untersuchungen, die auf der physikochemischen Charakterisierung der Nanopartikel aufbauen, eine wichtige Voraussetzung. Weil Nanopartikel mit zahlreichen klassischen toxikologischen Analysesystemen interferieren, haben wir alternative Methoden für die Nanotoxikologie erarbeitet. So ist in den vergangenen Jahren eine umfangreiche Testbatterie entstanden, die uns in die Lage versetzt, zahlreiche Fragestellungen hinsichtlich der Biokompatibilität von Nanopartikeln zu beantworten. Komplementäre Methoden wie Durchflusszytometrie oder Fluoreszenzmikroskopie, bei denen Multiparameterfärbungen mit fluoreszenzmarkierten Markern durchgeführt werden, sowie markierungsfreie Echtzeitzellanalysen mittels Live-Cell-Mikroskopie oder Impedanzanalyse finden hier Anwendung. Insgesamt ermöglichen unsere toxikologischen Untersuchungstools eine Bewertung der Biokompatibilität der Partikel in realitätsnahen Expositionsszenarios. Mittels Feedback-Loops zur Synthese-Einheit gewährleisten wir eine andauernde Optimierung der Partikelformulierungen bis hin zur erfolgreichen Translation in die Klinik.

Biologische Mechanismen

Die biologischen Mechanismen der Aufnahme und Anreicherung von Nanopartikeln werden bei SEON intensiv untersucht. Verschiedene SPIONs unterscheiden sich jedoch häufig in ihrer magnetischen Anreicherungskapazität. Das Verhalten zirkulierender Partikel hängt von den Eigenschaften der Nanopartikel, der Magnetfeldstärke und der Strömungsdynamik ab. Zur Untersuchung der Anreicherungseffizienz unter physiologisch ähnlichen Bedingungen werden Durchfluss-Zellkultur-Objektträger verwendet. Um die magnetische Anreicherung von SPIONs unter arteriellen Flussbedingungen abzuschätzen, haben wir ein verbessertes ex-vivo-Modell der menschlichen Nabelschnurarterie erstellt. Unter Verwendung dieses Modells wird die magnetische Anreicherung verschiedener SPION-Typen unter unterschiedlichen externen Magnetfeldgradienten und Strömungsbedingungen durch Atomemissionsspektroskopie und Histologie untersucht. Ebenso erforschen wir die Auswirkungen von Blutzellen auf die Wirksamkeit der magnetischen Erfassung.

Experimentelle Bildgebung und Magnetische Intervention

Das erklärte Ziel von SEON ist es, Eisenoxidnanopartikel in die klinische Anwendung zu bringen. Daher haben wir im Bereich Onkologie schon sehr früh ein Tiermodell beim Kaninchen entwickelt, mit dem wir das Magnetische Drug Targeting (MDT) durchführen können. Hierbei wird zunächst das tumorversorgende Gefäßbett mithilfe von Kontrastmitteln in 3D dargestellt. Über die Arteria carotis führen wir im nächsten Schritt einen Katheter ein, der mittels Bildkontrolle durch die Angiographieanlage in der Nähe des Tumors platziert wird. Nun drehen wir den Tisch der Angiographieanlage zum Magneten hin, platzieren diesen am Tumor und applizieren bei eingeschaltetem Magnetfeld die Nanopartikel. Superparamagnetische Eisenoxidnanopartikel (SPIONs) sind in der Lage, im Magnetresonanztomografen eine Signalauslöschung herbeizuführen. Diese Fähigkeit kann dazu genutzt werden, zu überprüfen, ob und wie viele Nanopartikel in der erkrankten Region angereichert werden konnten und wie diese dort verteilt sind. Dieser sogenannte theranostische Ansatz, also die Kombination von Therapie und Diagnostik, ist einer der großen Vorteile des MDT unter Zuhilfenahme von magnetischen Nanopartikeln. Außerdem versucht unsere Forschungsgruppe in einer Kooperation mit dem Lehrstuhl für Sensorik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg den theranostischen Ansatz auf die Darstellung der Nanopartikel mithilfe von Ultraschall auszuweiten. Die ersten Erfolge zeigen, dass diese – im Vergleich zu MRT und MPI – relativ kostengünstige Methode eben nicht nur die Nanopartikel bildlich darstellen kann, sondern dass sie mithilfe von Ultraschall eventuell sogar quantifiziert werden können.

Pharmazeutische Herstellung

Ein wesentlicher Teil des klinischen Translationsprozesses von Arzneimittelkandidaten ist die qualitätskontrollierte Herstellung nach gültigen Herstellungsrichtlinien, genannt current good manufacturing practice (cGMP). Hierbei legt das Arzneimittelgesetz (AMG) eine Durchführungsverordnung fest. Diese regelt die Qualitätskriterien, nach denen zugelassene Arzneimittel oder klinische Prüfpräparate herzustellen sind, wenn sich die Wirksubstanz noch im Stadium der klinischen Prüfung befindet. Diese Richtlinie garantiert geeignete Fertigungsprozesse, die die geforderte Produktqualität liefern. Das bedeutet, dass alle relevanten Syntheseschritte validiert sind und qualifiziertes Personal, eine einwandfreie Ausrüstung sowie Infrastruktur eingesetzt werden. Prozesskontrollen und Produkttests sind festgelegt und der gesamte Herstellungsprozess einschließlich der Analytik in Form von Standard Operating Procedures (SOPs) ist definiert. Solche qualitätskontrollierten Prozesse sind sehr aufwendig. Daher erklärt es sich von selbst, dass cGMP nur bei vielversprechenden Entwicklungen aus dem Grundlagenforschungsbereich sinnvoll ist. Zudem muss die technische Machbarkeit nachgewiesen sein, Synthesen in deutlich größeren Produktionsmaßstäben unter Beibehaltung der Produkteigenschaften durchführen zu können. Um dies zu erreichen, führen wir granuläre Parametrisierungen sämtlicher relevanter Prozessschritte durch. Diese ermöglichen es uns schließlich, einen Sicherheitskorridor für die Herstellungsbedingungen zu definieren, unter deren Einhaltung wir die erforderliche Produktqualität erreichen. Eine vollständige Implementierung einer cGMP-konformen Synthese ist ohne vertrauensvolle Zusammenarbeit mit strategischen Partnern nicht zu erreichen.